TEST BMW ALPINA RENNCOUPÉ 

KRAFTWAGEN

330 PS starkes BMW Coupé von Alpina, das 1977 die Tourenwagen-Europameisterschaft gewann.

(auto motor und sport 7/1978. D.)

Ein Tourenwagen, so die landläufige Ansicht, soll in erster Linie Rennen gewinnen. Bei der Firma Alpina im bayerischen Buchloe, nach ihrem Bekunden „Hersteller exclusiver Autos auf BMW-Basis“, hat man indes noch anderes im Sinn. „Das Finish unserer Renn-BMW“, erläutert Dr. Fritz Indra, Alpina-Chefkonstrukteur, ein Einsatzziel mit Priorität, „soll potentielle Alpina-Kunden unser hohes technisches, aber auch ästhetisches Niveau nachhaltig vor Augen führen.“

   Tatsächlich besticht Alpinas grasgrüner BMW 3.0 CSL der nach der Gruppe 2 [Tourenwagen, die im vorgeschriebenen Rahmen für Rennzwecke verbessert werden können] vorbereitet im vergangenen Jahr Tourenwagen-Europameister wurde, durch eine für Rennkreise ungewöhnlich liebevolle optische Detail-Finesse auch dort, wo diese nicht unbedingt der Erzielung schnellerer Rundenzeiten dient.

   So scheuten sich die bayerischen Tüftler nicht, ihre Türausschnitte mit hochglanzpolierten Aluminiumblenden zu verkleiden, „weil es schöner aussieht“. Unter der serienmäßigen Tankklappe verbergen sich Preßluft-Anschlußstutzen für die pneumatischen Wagenheber, mit deren Hilfe das über eine Tonne schwere Coupé für Wartungsarbeiten auf Knopfdruck hin geradezu in die Höhe springt.

 

Kunststück unter der BMW Alpina-Motorhaube

Ähnlich erfreuliche perspektiven eröffnen sich dem Betrachter im Cockpit und unter der Motorhaube. Akurat ins Spezial-Armaturenbrett eingefügte Instrumente, ein Alpina-Lederlenkrad und –Schaltknauf, der bequeme, feuerfeste Rennschalensitz sowie die mit schwarzem Schrumpflack versehene Mittelkonsole verbreiten am Arbeitsplatz des Piloten fast einen Hauch von Luxus. Denn „der Fahrer“, weiß Dr. Indra, „muß sich wohl fühlen.“

   Und der blitzsaubere Reihen-Sechszylinder mit seinen lngen Ansaugtrichtern und den filigranen Einspritzleitungen scheint als wunderschönes Ausstellungsstück gedacht, welches sich Technik-Liebhaber unter Glas ins Foyer zu stellen pflegen.

   Zur Erzielung der mit 335 PS (246 kW) gegenüber der Serie um fast 130 PS (95 kW) gestiegenen Motorleistung schöpften die Alpina-Mannen das Gruppe 2-Reglement nachhaltig aus.

   So wurde die Bohrung um die erlaubten 0,6 mm vergrößert, wodurch der Gesamt-Hubraum um fast 50 cm³ anstieg. Leichte, geschmiedete Spezialkolben und die Feinbearbeitung aller beweglichen Motorteile sorgen für deutlich bessere Drehfreude des Sechszylinders.

   Einen besseren Füllungsgrad [Füllungsgrad entspricht dem Verhältnis des angesaugten Kraftstoff-Luft-Volumens zum effektiven Hubraum] der halbkugelförmigen Brennräume bewirken die „schärfere“ Spezial-Nockenwelle und Alpina-Modifikationen an der mechanischen Bosch/Kugelfischer-Einspritzanlage. Dabei sitzen die Einspritzdüsen weit außen in der Mitte der Ansaugtrompeten und spritzen den Kraftstoff direkt in den Luftstrom.

 

BMW Alpina: Suchtgefahren beim schnellen Fahren

Trotz des Leistungszuwachses entfaltet das bayerische Kunstkraftwerk seine Potenz in errstaunlich kultivierter Weise. Zwar brüllt der 3,2-Liter dabei energisch aus seinem unter der Beifahrertür ins Freie mündenden Doppel-Flammrohr, doch reagiert er zugelich ohne Allüren spontan auf Gaspedal-Befehle, offeriert seinem Piloten ein bemerkenswert breites nutzbares Drehzahlband und wirkt damit fast seriennah elastisch.

   Die ersten proberunden auf dem Kleinen Kurs des Hockenheimer Motodroms bereiteten deshalb nur geringe Eingewöhnungs-Schwierigkeiten. Überraschend gutmütige Reaktionen des Fahrwerks auf der teilweise feuchten Piste animierten im Gegenteil rasch zu forscher Gangart. Und damit zu einer Fahrweise, die im Alpina-BMW durchaus Suchtgefahren heraufbeschwört.

   Denn der bayerische Europameister begeistert mit einem perfekt erscheinenden Handling, honoriert dosiertes Gasgeben in schenellen, wie langsame Kurven mit wohl ausbalanciertem Übersteuern, ohne dem Piloten bei solch provozierter Lenkhilfe das Heft aus der Hand zu nehmen.

   Vielmehr kann der Driftwinkel fast nach Belieben bestimmt und notfalls noch im Kurvenverlauf problemlos korrigiert werden. Hierzu genügt leichtes Zurücknehmen der Gaspedalstellung, ein Unternehmen, das den Alpina-BMW ganz im Gegensatz zu nervöseren Renninstrumenten nicht etwa zum Kreiseln anregt, sondern spürbar stabilisiert.

 

Nichts für schwache Knaben: schwergängige BMW-Lenkung

So droht dem ungeübten Alpina-Piloten zwar nur geringe Gefahr durch Tücken seines Automobils, dafür jedoch um so mehr durch schnell auftretende eigene Konditionsschwächen. Denn während Pedalerie und Schaltung noch vergleichsweise zivile Betätigungskräfte benötigen, läßt die ernorm schwergängige, vom hohen Gewicht des BMW-Coupés und den ungewöhnlich breiten Rennreifen geprägte Lenkung zumindest untrainierte Fahrer schnell an die Grenzen ihrer physischen Leistungsfähigkeit stoßen.

   Eine Tatsache, der Burkard Bovensiepen, Alpina-Chef und passionierter Hobby-Koch, auf seine Art Rechnung trug: Er kredenzte der erschöpften auto motor und sport-Crew und sich selbst noch im Fahrerlager des Hockenheimer Motodroms „Filet Alpina“.

 

„Jaguar war für uns der Grund“, erläutert Bovensiepen seine Aktivitäten im Jahre 1977, „in die Europa-Meisterschaft einzusteigen. Wir wollten uns an einem leistungsfähigen Gegner messen.“ Doch die Katze aus dem englischen Coventry zeigte ihre Krallen nur verhalten. Zwar stand der über 500 PS starke Zwölfzylinder zumeist auf dem ersten Startplatz, doch warfen technische Mängel die Engländer zumeist aus dem Rennen.

   Aber auch die Alpina-Crew wurde in der ersten Saison-Hälfte von Motor-Defekten heimgesucht. Dennoch genügten fünf Siege in elf Meisterschaftsläufen um knapp Europameister zu werden.

   Jaguar indes hatte schon Mitte der Saison aufgegeben und Bovensiepen seiner Motivation beraubt. Bovensiepen im Rückblick: „Ein teures Vergnügen: Jeder Lauf hat uns 50.000 Mark gekostet.“

 

Technische Daten und Meßwerte
BMW Alpina Renncoupé (Gruppe 2)

Motor und Getriebe

Sechszylinder-Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 89,6 x 84 mm, Hubraum 3212 cm³, Leistung 335 PS bei 7400/min, max. Drehmoment 333,5 Nm bei 6000/min, Verdichtungsverhältnis 11,0 : 1, mechanische Bosch-Einspritzanlage System Kugelfischer, vollsynchronisiertes Getrag-Vierganggetriebe, Fichtel & Sachs-Einscheiben-Trokkenkupplung, 75%-Sperre

 

Karrosserie und Fahrwerk

Selbsttragende Stahlkarosserie mit Aluminium-Teilen (Türen, Hauben etc.), Einzelrad-Aufhängung, vorn McPherson-Federbeine, hinten Schräglenker mit Schraubenfedern, Bilstein-Gasdruckstoßdämpfer, Lockheed/Ate-Zweikreisbremsanlage mit belüfteten Bremsscheiben und Aluminium-Bremssätteln; vorn 11 x 16 Zoll, hinten 12,5 x 16 Zoll Alpina-Leichtmetallräder mit Zentralverschluß.

 

Abmessungen und Gewichte

Radstand 2625 mm, Spur vorn 1469 mm, hinten 1386 mm, Außenabmessungen 4630 x 1830 x 1310 mm, Tankinhalt 120 Liter, Leergewicht 1050 kg, Leistungsgewicht 3,1 kg/PS).

 

Fahrleistungen

Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
Beschleunigung (auf effektive Geschwindigkeiten, vollgetankt mit zwei Personen)

0 –   40 km/h    2,4 s
0 –   60 km/h    3,2 s
0 –   80 km/h    4,3 s
0 – 100 km/h    5,8 s
0 – 120 km/h    7,6 s
0 – 140 km/h    9,6 s
0 – 160 km/h  11,9 s
0 – 180 km/h  14,5 s
0 – 200 km/h  17,8 s