TEST BMW 2800 CS

GEPFLEGTE KRAFTENTFALTUNG

(Auto motor und sport 5/1969. Reinhard Seiffert. D.)

Es gibt Autos, in denen man sich sehr schnell vorkommt, weil sie das entsprechende Geräusch machen und zur Handhabung rauhe Männerkraft erfordern. Aber es gibt auch andere, in denen man sich gar nicht so schnell fühlt, weil sie leise fahren und spielend leicht zu handhaben sind. In Wriklichkeit ist man dann doch sehr schnell. Zu dieser Sorte gehört das bMW Sechszylinder-Coupé.

   Es gehört in der Hauptsache seines Motors wegen dazu. Denn dieser Motor ist enorm leise und laufruhig, und zugleich ist er enorm stark. Wenn 170 PS in ein nicht allzu großes und schweres Auto installiert werden, dann macht sich das eben bemerkbar – auch wenn das Auto nach außen kein funktioneller Sportwagen, sondern ein gepflegtes viersitziges Coupé sein will.

   Das besondere an diesem neuen BMW-Typ sind darum einmal seine Fahrleistungen, und zum zweiten die Art und Weise, wie sie erreicht werden. Das bisherige Vierzylinder-Coupé hatte immerhin auch schon 120 PS und lief 185 km/h. Der neue Typ läßt es mühelos stehen.

   Der neue BMW-Motor gab in der Limousine 2500 bereits seine Visitenkarte ab. Eine gute Visitenkarte. Die Limousine lief 195 km/h und beschleunigte in knapp 9 Sekunden auf 100 km/h. Auch ihr gibt der Motor des Geprägte eines nervenschonenden schnellen Fahrens. Die außerordentlich sorgfältige Schwingungsdämpfung auch bei höchsten Drehzahlen lieferte den Beweis, daß der Hubkolbenmotor in dieser Hinsicht noch nicht am Ende ist. Der Reihen-Sechszylinder bietet allerdings auch ideale Voraussetzungen, um jene hin- und hergehenden Massen unter Kontrolle zu bringen, die im Prinzip ein Nachteil des Hubkolbenmotors gegenüber dem Rotationskolbenmotor, der Turbine oder dem Elektromotor sind.

   BMW hat außerdem – mit normalen Vergasern – eine hervorragende Elastizität, einen günstigen Verbrauch, geringe thermische Belastung und saubere Abgase erreicht, besonders durch die spezielle Brennraumform. Auch hier wurden also die Grenzen nach außen verschoben. Konkurrenz hebt das Geschäft – auch bei den Motorenkonstrukteuren!

   Der 2,8 Liter unterscheidet sich vom 2,5 Liter durch einen größeren Hub (80 statt 71,6 mm). Die Leistung steigt von 150 auf 170 PS bei gleichbleibend 6000 U/min, das maximale Drehmoment von 21,5 auf 24 mkg bei 3700 U/min.

   In der Praxis machen sich diese Unterschiede hauptsächlich durch die noch bessere Fahrleistungen bemerkbar. Davon abgesehen überwiegt die Familienähnlichkeit: Nur im direkten Vergleich könnte man wohl bemerken, daß der 2,8 Liter noch mehr drin hat. Und hier dürfte es besonders der Durchzug im unteren und mittleren Bereich sein. Der Test der – bisher noch nicht ausgelieferten – 2,8 Liter-Limousine wird zeigen, welche Leistungs- und Elastizitätsunterschiede herauskommen, wenn beide Motoren im gleichen Auto eingebaut sind. Für den 2800 wird das kein leichtes Rennen, denn der 2500-Testwagen leistete deutlich mehr, als er katalogmäßig leisten sollte.

   Was Laufruhe, Drehfreudigkeit und Leichtigkeit des Ansprechens auf Gaspedalbewegungen angeht, entsprach der 2,8 Liter völlig dem 2,5 Liter. Man hat es mit einem Motor zu tun, der alles tut, was er soll: Er läuft rund und mit niedriger Drehzahl, wenn man im Verkehr mitschwimmt. Er vermag ohne viel Schalten aus dieser Drehzahl heraus die Beschleunigungs- und Bergsteigansprüche des normalen Verkehrs zu erfüllen. Er zeigt seine volle Leistung, wenn man die Gänge ausfährt – ohne daß man dabei weit über 6000 U/min hinausgehen muß, denn die Anschlüsse von Gang zu Gang passen nahtlos.

   Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h, vom Werk mit 9,1 Sekunden aufgegeben, lag beim Testwagen bei 8,8 Sekunden. Auch den stehenden Kilometer (Werksangabe 30,1) legte er in weniger als 30 Sekunden zurück. In der Höchstgeschwindigkeit (Werksangabe 205) kam er auf 206 km/h – lauter exquisite Werte, die nur bei Sportwagen zu finden sind, die zum – immer noch kleinen – 200 km/h-Club gehören.

   Aber bei alledem behält das BMW-Coupé seinen komfortablen Charakter, es erreicht seine Fahrleistungen sozusagen beiläufig. Auch wenn man die starke Voreilung des Tachometers abzog: Man war stets schneller, als man dachte. Selbst das volle Beschleunigen vollzog sich wenig spektakulär, weil die Geräuschentwicklung nicht nur im Motor, sondern auch an den Rädern gering war. Das Coupé bringt seine Kraft unauffällig, aber wirksam an den Boden.

   Wirksam auf jeden Fall: Steigungen existieren kaum, Überholprobleme werden mühelos lösbar, die Geschwindigkeitswahl auf freien Strecken hängt vom Fahrer, nicht von den möglichkeiten des Wagens ab. Da es heute mehr denn je darauf ankommt, zwischen verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen wechseln zu können und sich in allen wohl zu fühlen, erfüllt das Coupé in der Leistung jeden Anspruch.

   Selbst ist es dabei nicht überaus anspruchsvoll: Bei mittlerer Beanspruchung kommt man mit 14 bis 16 Liter/100 km aus, volles Ausnutzen der Leistung kostet 16 bis 18 Liter. Die Reichweite ist durch den zu kleinen 55 Liter-Tank beeinträchtigt. Ein größerer Tank ist vorgesehen.

 

Fahrwerk: Zwei Wagen in einem

Daß man den gleichen Wagen mit verschiedenen Motoren baut, ist heute nicht mehr ungewöhnlich. BMW konnte sich aber beim Coupé auf dieses Rezept nicht beschränken, denn der längere Motor hätte in den bisherigen Wagen nicht hineigepaßt – das Vorderteil mußte verlängert werden. Es lag nahe, noch einen Schritt weiterzugehen und auch gleich die neue Vorderachse der Limousine mit einzubauen. Zwar ist die Spurweite dieser Achse um 11 cm größer, aber das ist ja kein Nachteil, sondern bekommt dem Aussehen und der Straßenlage in gleicher Weise gut.

Die neue Vorderachse mit nach hinten geneigten Federbeinen und „Nachlauf-Versatz“ hat den Vorzug geringer Lenkkräfte und guter Kurvenanstützung (durch zunehmend begativen Sturz beim Einschlag). Im gegensatz zur Limousine liefert BMW das Coupé ausschließlich mit Servolenkung. Die Hinterachse blieb, bis auf die vorgesehene Nivomat-Einbaumöglichkeit, unverändert. Darum hat das Coupé hinten Trommelbremsen, nicht wie die Limousine Scheibenbremsen. Mit der Vorderachse wurde aber auch das Zweikreis-System für die Vorderradbremsen übernommen, ebenfalls natürlich der Bremsverstärker. Vorn und hinten sind Querstabilisatoren eingebaut. Alle Räder bakamen 6J x 14 Felgen mit der neue wide-oval-Größe DR 70 HR 14. Es sind Leichtmetallräder mit Fünfloch-Befestigung; der Testwagen hatte jedoch noch normale Scheibenräder, weil die Lieferung der neuen Felgen noch nicht funktionierte.

   Zum neuen Motor gehört auch das neue ZF-Getriebe mit Borg-Warner-Synchronisierung. Wie in der Limousine überzeugte es durch exakte Schaltbarkeit und sichere Perrsynchronwirkung, begann jedoch im III. Gang etwas zu singen. Der Kupplungsweg ist sehr lang, weshalb kurzbeinige Leute den Sitz weiter vorstellen müssen, als ihnen im Interesse der Lenkradhaltung lieb ist.

   Zum Gefühl der Mühelosigkeit des Fahrens tut die Servolenkung das ihre: Man braucht sich nie anzustrengen – auch dort nicht, wo ohne Ende Kurve auf Kurve folgt. Das geht aber ein bißchen auf Kosten des Fahrbahngefühls. Da der ganze Wagen in der Geschwindigkeit etwas untertreibt, fährt man in Kurven eher zu schnell als zu langsam. Es gibt Servolenkungen, die besseren Kontakt zur Fahrban vermitteln – vermutlich ist es die Kombination der neuer Vorderachse mit dem Servo, die zu diesem nicht ganz befriedigende Ergebnis geführt hat.

   In Kurven bringt die sehr gut angestützende, breitspurige Vorderachse die Hinterachse manchmal in Verlegenheit: Der sonst leicht untersteuernde Wagen geht dann plötzlich ins Übersteuern über. Zwar nicht in bösartiger Manier, aber doch so, daß der Fahrer mit einem kräftigen Gegenlenkausschlag darauf antworten muß. Der BMW hat dann nicht – wie manche Heckmotorautos – die Tendenz, sich zu drehen, sondern bekommt einen ziemlich ausgeprägten Driftwinkel, den man, wenn man will, über längere Kurvenstrecken hinweh einhalten kan. Zu diesem Verhalten trägt auch die serienmäßig eingebaute Differentialbremse bei. Es führt, wenn man wettbewerbsmäßig fährt, zu einem abenteuerlich aussehenden Kurvenstil. Er ist nicht so riskant wie er aussieht, und darum kann man das Coupé trotz dieser Schrägstell-Eigenschaft noch zu den gutmütigen Autos zählen.

   Die Bremsen bereiten im Normalbetrieb keinerlei Probleme, sie arbeiten gleichmäßig und zuverlässig. Man kann sie jedoch, wenn man es darauf anlegt, durch volles Ausnutzen der Beschleunigung auf Kurvenstrecken oder Gefälle fühlbar beeindrucken – zuerst wird der Pedalweg, dann auch der Bremsweg länger. Aber auch das tritt erst in Erscheinung, wenn man wettbewerbsmäßig fährt, wozu dieser Wagen ja nicht gedacht ist.

   Als angenehmes Fahrzeug erwies sich das Coupé im Komfort: Seine Federung schien etwas weicher zu sein als bei der Limousine. Sie ist – bei einem Coupé durchaus vertretbar – auf eine etwas geringere Nutzlast ausgelegt. Mit einer guten Abstimmung und einem leichten Ansprechen auch bei langsamer Geschwindigkeit vormochte sie Unebenheiten aller Größen gut zu schlukken. Das bei rahmlosen Fenstern nie ganz behebbare Windrausßen hielt sich in akzeptablen Grenzen, so daß man auch bei schnellen Autobahn-Dauerfahren gute Kondition behielt.

 

Karosserie: Keine Glasaugen mehr

Manche Betrachter sind vom BMW-Coupé restlos begeistert, manche finden es ein wenig „zu häbsch“. Das kann man halten wie man will – fest steht, daß die verlängerte Motorhaube und die Doppelscheinwerfer der Form gutgetan haben. Das ganze Auto wirkt harmonischer als in der Vierzylinder-Ausführung mit „Glasaugen“. Die Leichtmetallräder bringen zusätzliche Attraktivität; dem Auge wird etwas geboten fürs (nicht unbeträchtliche) Geld.

   Was schön und teuer ist, ist nicht immer praktisch – das gilt für den Innenraum, der auf den Rücksitzen recht beengt ist, und für die pfosten- und rahmenloses Fenster, bei denen hundertprozentig exaktes Schließen kaum möglich ist. Ob allerdings die Türspalte so groß sein muß, daß man immer wieder glaubt, die Tür sei nicht richtig geschlossen, muß dahingestellt bleiben – solche Dinge hat man bei Karmann (der die Coupé-Karosse fertigt) schon besser gekonnt. Auch daß immer irgendwo etwas quietscht und reibt, ist kein Zeichen absoluter Qualität, wenn es auch zugegebenermaßen schwer ist, solchen pfostenlosen Aufbau verwindungsfrei zu bekommen.

   Mit dem neuen Lochschlüsseln wendet BMW die gleiche Türschloß-Konstruktion an wie Mercedes, aber offenbar nicht in gleicher Funktionssicherheit. Die Schlösser waren beim Coupé eine Quelle des Verdrusses: Sie gingen schwer, man bekam die Schlüssel nicht heraus, und schließlich stellte das Schloß der Fahrertür seine Funktion ganz ein. Merkwürdig: schon seit Jahrzehnten gibt es gute Türschlösser, aber immer wieder tauchen neue auf, die weniger gut sind als die alten.

   In die Ausstattung wurde die neue Heizung übernommen, die sich durch hervorragende Regelbarkeit und hohe Luft-Förderleistung, aber nicht durch schnelle Wirkung nach dem Kaltstart auszeichnet. Die hinteren Seitenfenster, auf Sonderwunsch auch die vorderen, können elektrisch betätigt werden, Heiz-Heckscheibe und Nebelschlußleuchte gehören zur Serienausstattung. Für Musikfreunde bietet das BMW-Coupé die seltene Möglichkeit, einen relativ großen Lautsprecher akustisch günstig einzubauen. Es zeigt sich hier, daß Autoradios recht erfreuliche Klangwirkung bieten können, wenn die elektronisch aufbereiten Rundfunkwellen nicht in winzige Blechgehäuse gesperrt werden.

   Wer die 23.000 Mark für dieses Auto auf den Tisch legt, hat für die Exklusivität in Form und Leistung einige Unvollkommenheiten in Kauf zu nehmen. Das ist keine seltene Erscheinung bei teuren Autos – die massenweise im Ofen gebackenen Limousinen sind meist perfekter als die in kleiner Stückzahl gebauten Sondertypen. Die echten Vorteile: dieses Coupé ist ungewöhnlich stark und schnell, dabei handlich und komfortabel. Kein Sportwagen, aber ein sportliches Auto, keine Limousine, aber ein Viersitzer. Wer so etwas sucht, sollte am BMW-Coupé nicht vorbei, sondern wenigstens einige Male um es herumgehen.

 

RESULTATE

Karosserie

Individuelle Coupé-Karosserie, entwickelt aus dem bisherigen Vierzylinder-Coupé. Formaler Gewinn durch verlängerte Motorhaube und Doppelscheinwerfer. Gute Sitz- und Sichtverhältnisse, Fond-Sitzraum beengt, großer Kofferraum. Verarbeitungsqualität nicht in allen Punkten befriedigend, schlechte Funktion der Türschlösser und Sitzverriegelungen.

Ausstattung

Gute Gesamtausstattung, serienmäßig Liegesitze, heizbare Heckscheibe, elektrisch betätigte Fondfenster und Nebelschlußleuchten, gute Heizung und Belüftung, jedoch verzögert einsetzende Heizwirkung.

Bedienung

Gut angeordnete Schalter und Hebel, übersichtliche Instrumentierung, günstig liegender Mittelschalthebel. Kupplungsbedienung durch langen Pedalweg erschwert.

Kraft-
übertragung

Gut abgestuftes, exakt schaltbares Vierganggetriebe mit sicher wirkender Dperrsynchronisierung, auf Wunsch Automatik (noch nicht lieferbar).

Motor

Überlegene Motorleistung durch großen Hubraum und moderne Motorkonzeption. Elastisch und durchzugskräftig schon bei niedrigen Drehzahlen.

Fahrleistungen

Ungewöhnlich gute Beschleunigung, Spitze über 200 km/h, hohe Durchschnitts- und Dauergeschwindigkeiten mühelos erreichbar.

Verbrauch

Im Verhältnis zu den hohen Fahrleistungen günstiger Verbrauch. Zu kleiner Tank.

Fahr-
Eigenschaften

Leicht untersteuerndes Fahrverhalten im Normalbetrieb, Übergang zum Übersteuern im Grenzbereich durch entsprechendes gegenlenken beherrschbar.

Fahrkomfort

Sportlich-angenehmer Fahrkomfort, gute Bodenhaftung auch auf schlechter Straße, geringes Fahrgeräusch.

Lenkung

Serienmäßige Servolenkung handlich und leicht bedienbar, jedoch nur geringer Fahrbahnkontakt für den Fahrer.

Bremsen

Bremsen (vorn mit deppeltem Bremkreis) im Normalbetrieb voll ausreichend, bei hoher Belastung nachlassende Wirkung