TEST BMW 728, 730, 733i

GROßE KLASSE

[auto motor und sport, Heft 20, September 1977, von Klaus Westrup]

’Das beste Automobil der Welt gab es schon’, lobt der Text einer BMW-Anzeige unverkennbar den Erbfeind Mercedes in Stuttgart-Untertürkheim. Und fährt ganz unverfroren weiter: ‘Deshalb haben wir uns mehr vorgenommen.’

Was die Bayerischen Motoren Werke sich vorgenommen haben und was sie als ‘Kontrast-Programm’ präsentierten, hört auf die nüchterne Typenbezeichnung 728, 730 oder 733i und hat im wesentlichen zwei Aufgaben zu erfüllen: die Leute, die den Vorgänger 2500 bis 3.3Li fuhren, beim eventuellen Wechsel bei der BMW-Fahne zu halten. Und die Menschen, die bislang Mercedes fuhren, möglichst bald ins eigene Lager zu zwingen.

Die Chancen, beiden Vorhaben gerecht zu werden, sind grundsätzlich günstig. Wie günstig – das versucht auto motor und sport in diesem Testbericht zu beantworten.

KAROSSERIE: UNAUFFÄLLIGE GRÖßE
Wer den neuen Siebener-BMW von außen betrachtet, weiß zunächst nicht so recht, ob man die Arbeit der Münchener Stylisten nun loben oder tadeln soll. Denn zu loben ist der Total-Eindruck nur, wenn die Aufgabe lautete, eine wahrhaftig große Limousine (Länge fast fünf Meter, Breite 1,80 Meter) betont kompakt, ja nahezu zierlich wirken zu lassen. Tadelnswert erscheint das blecherne Ergebnis, wenn das Gegenteil dessen erwünscht war – ein auch optisch ‘schwerer’ Wagen, wie es der S-Klasse-Konkurrent von Mercedes etwa ist.

Denn das neue Auto, das nicht nur sehr groß, sondern mit rund 1,6 Tonnen Leergewicht auch ziemlich schwer geraten ist, steht recht unscheinbar im Raum. Einen besonders repräsentativen Charakter sucht der Betrachter vergebens, und die Vorstellung, daß der Bundeskanzler aus dem Fond dieses neuen BMW steigt, erscheint recht unwirklich. Dafür kann man sich den jungen, dynamischen Manager schon eher vorstellen oder natürlich auch den gutverdienenden Zahnarzt. Denn ein echter BMW – das ist auch der Neue formal bestimmt geworden.

So fügt sich der Große harmonisch ins übrige Programm ein – mit der typischen BMW-Niere vorn, dem ‘gepfeilten Vorderwagen’ (BMW-Werksjargon), der nach hinten leicht ansteigenden Linien führung, der niedrigen Gürtellinie und den großen Glasflächen. ‘Auch der neue Große BMW bleibt Mitglied der BMW-Familie’, heißt es treuherzig in einer BMW-Pressemappe, als hätte ernsthaft Gefahr bestanden, dieses neue Auto zu einem Außenseiter zu machen.

So haben die Neuen formal auf alle Fälle Stil, nämlich BMW-Stil. Die Gefahr, den Siebener mit Konkurrenz-Produkten zu verwechseln, besteht in keiner Weise; eher verwechselt man ihn da schon mit den weiß-blauen Produkten. Stilistische Änlichkeit mit dem zuvor präsentierten Coupé 630 beziehungsweise 633i ist tatsächlich vorhanden, aber das muß kein Fehler sein. Denn das BMW-Coupé gehört ja hierarchisch zur Oberklasse – schlimmer wäre es da schon, man würde den Siebener mit dem Dreier oder dem Fünfer verwechseln.

Im Interieur setzt sich der gute und geradlinige Stil fort. Auch in diesem Bereich geriet der Siebener zu einem echten BMW – mit seinem Cockpitartigen Fahrerabteil und einem Ausstattungsstil, der wohl das Gegenteil von betulich ist. Übersichtliche Instrumente und griffgünstig placierte Bedienungshebel lassen jenes hohe Maß an Funktionalität erkennen, das inzwischen charakteristisch geworden ist.

Die Sitze sind ordentlich und können auch in der Höhe verstellt werden, eine Lenksäulenverstellung ist schon beim einfachsten Modell, dem 728, serienmäßig. Heizung und Lüftung sind gut dimensioniert und vielfältig einstellbar, eine Klimaanlage gibt es gegen Aufpreis (ca. 3000Mark). Im übrigen präsentiert sich die Ausstattung schon beim Grundmodell in schöner Reichhaltigkeit. Die wohl nützlichste Zutat innerhalb des serienmäßigen Ausstattungspakets des teursten Modells 733i ist eine mit Elektromotoren sehr aufwendig und gewichtig betriebene Zentralverriegelung, die es – im Gegensatz zur Daimler-Benz-Gepflogenheit – leider nicht als Einzelposten für alle Siebener einzukaufen gibt.

Das Wohlbehagen, das im Innenraum des neuen großen BMW aufkommt, hängt jedoch nicht nur mit dem funktionellen Ausstattungsstil zusammen sondern mehr noch mit den Platzverhältnissen. Das Raumangebot fiel ausgesprochen großzügig aus, braucht sich hinter der Konkurrenz nicht zu verstecken und offeriert eindeutig mehr, als der Vorgänger dieses Autos zu bieten hatte.

Am eindeutigsten ist der Fortschritt auf der Rücksitzbank zu entdecken, wo nun so viel Knieraum zur Verfügung steht, wie man ihn sich in einer Groß-Limousinen wünscht. Auch an Kopffreiheit wurden gegenüber dem alten 2500 einige Zentimeter gewonnen. Und der Kofferraum faßt genug zum ausgiebigen Verreisen: 360 Liter nach auto motor und sport-Norm.

Das insgesamt sehr gute Raum gefühl wird in der Praxis wirksam ergänzt durch beste Sichtverhältnisse. Auch der Siebener geriet zu einem außerordentlich transparenten Auto, das innen betont licht ist und aus dem es sich nahezu optimal heraussehen läßt. Es läßt sich umgekehrt natürlich ebenfalls sehr gut hineinsehen ; wer die automobile Abgeschiedenheit vorzieht, muß sich auch weiterhin mit einem Rolls-Royce Phantom oder auch einem Saab 96 behelfen.

Die Durchsichtigkeit des großen BMW trägt Sorge dafür, daß der Kompakt-Eindruck, den diese Auto von außen macht, ebenfalls von innen heraus entsteht. Das Gefühl, in einem Fünf-Meter-Mobil zu sitzen, entsteht – zumal vom Fahrersitz aus – in keiner Weise. Im Gegenteil: Die Siebener fühlen sich so an wie erwachsene Mittelklasse-Autos – zweifellos ein ganz erheblicher sachlicher Vorzug. Sie fühlen sich ebenfalls qualitativ gut genug an, um in dieser Preisklasse einen vorteilhaften Eindruck zu machen. Dennoch ist es kein Geheimnis, daß der Konkurrent aus Schwaben für die Münchener in dieser Hinsicht Vorbild bleibt.

MOTOREN: DREIMAL SECHS ZYLINDER
Gänzlich neue Motoren sind selten geworden im Automobilbau. Das ist kein Wunder: Kein anderes Bauteil verlangt einen derart intensiven Entwicklungsaufwand und kostet so viel Geld wie eine taufrische Kraftquelle.

Auch BMW setzt bei der Sieberner-Reihe zunächst ausschließlich auf jenen schon alten Reihen-Sechszylinder, der für den 1968 präsentierten Typ 2500 entwickelt und in diversen Hubraum- und Leistungsvarianten entstand. Angeboten werden drei Maschinen, mit 2,8 Liter Hubraum und 170 PS, mit drei Liter und 184 PS und ein 3,2 Liter großes Einspritz-Triebwerk mit 197 PS. Die Auswahl am Sechszylindern ist also groß genug; es fragt sich deshalb nur, wie sie sich voneinander unterscheiden.

Bei den Leistungsmessungen zeigte sich zunächst eine Überrasschung insofern, als der nominell schwächste Siebener, der 728, sowohl in der Beschleunigung als auch in der Höchstgeschwindigkeit praktisch nicht schlechter war als der stärkere 730. Beide liefen knapp über 200 km/h, beide kamen in weniger als zehn Sekunden vom Stand auf 100 km/h. In der Beschleunigungselastizität, bei der aus 40 km/h im großen Gang voll beschleunigt wird, war der 728 gar entscheidend temperamentvoller als der 730. Bis 140 km/h nahm der Kleine dem Großen fast fünf Sekunden ab – Resultat seiner insgesamt kürzeren Übersetzung.

Diese Meßwerte fanden Bestätigung durch den subjektiven Fahreindruck; der 728 wirkt lebendiger und agiler als der 730 und bereitet deshalb fahrerisch das größere Vergnügen. An Kultiviertheit nehmen sich die beiden Vergaser-Versionen dagegen nichts. Beide laufen extrem schwingungsarm und leise und vermitteln mit ihrer Seidigkeit den Eindruck perfekter Laufkultur.

Der 27 PS über dem 728-Triebwerk rangierende Einspritzer verschaft dem Spitzenmodell 733i zwar eine gewisse leistungsmäßige Überlegenheit (8,7 s auf 100 km/h, Höchstgeschwindigkeit fast 210 km/h), doch läuft er spürbar rauher als die kleinen Versionen. Dafür bietet er meßbare Verbrauchs-Vorteile. Der Testkonsum lag beim 733i bei 16,3 Liter/100 km im Durchschnitt; am meisten verbrauchte der 730 (18,1 Liter), zwischen 730 und 733i rangierte der 728 (17,1 Liter).

Die Kultiviertheit der BMW-Sechszylinder, die – absolut gesehen – auch der kräftigere Einspritzer in hohem Maße zu bieten hat, ist denn auch ein ganz wesentlicher Vorzug dieser Motoren. Denn mit der absoluten Leistungsfähigkeit sieht es nun vor allem dadurch, daß die Siebener-BMWs mit einem Gewicht von rund 1600 kg relativ schwer ausgefallen sind, nur noch ordentlich aus. Es sind allesamt schnelle Autos, aber es sind keine leistungsmäßig überlegenen Autos mehr – so wie es etwa der alte BMW 3.0Si in seiner Preisklasse war.

Mehr Schwung, und sei es auch bloß aus Prestige-Gründen, wird sich in Zukunft nur mit mehr Hubraum und mehr Zylindern realisieren lassen, wie es die Konkurrenz, speziell Mercedes, jetzt schon praktiziert. Ein neues bayerisches Motoren-Werk, womöglich ein Zwölfzylinder, das ist es, was man langfristig im Siebener-BMW erwartet.

FAHRWERK: EIN ECHTER BMW
Mit einer Federbein-Vorderasche und einer Schräglenker-Hinterasche hat BMW beim 728 die Grundkonzeption des Vorgängers beibehalten. Modifikationen sorgten jedoch dafür, daß die BMW-typischen Fahreigenschaften des Vorgängers in verbesserter Form zu finden sind. Der Geradeauslauf ist nun sehr gut, die von einer Zentralhydraulik mit Drucköl versorgte Servolenkung arbeitet gefühlvoller und vermittelt bei bester Exaktheit einen guten Bodenkontakt.

Die präzise Servolenkung ist an dem fundamentalen Gesamteindruck, den dieses neue Auto spontan vermittelt, wesentlich beteiligt. Denn sie sorgt, zusammen mit anderen Zutaten, für eine Handlichkeit, die in dieser Wagenklasse unerreicht ist. Je schneller man übrigens fährt und je kurviger die Bahn ist, desto eindringlicher gestaltet sich dieser Eindruck.

Von dem hohen Gewicht ist sehr wenig zu spüren, und daß ein Fünfmeter-Auto so leichtfüßig auch um engste Biegungen herumfährt, das hätte man vor Erscheinen der Siebener-Reihe wohl kaum für möglich gehalten.

Auch im Grenzbereich ist der neue Große ein typischer BMW geworden, mit einem gut kontrollierbaren Übersteuern, wenn man des Guten zuviel getan hat. Es ist ein weiches Abwandern des Wagenhecks, das sich durch leichtes Zurücknehmen des Lenkeinschlags gut korrigieren läßt. Auf nasser Straße erscheint die Gutmütigkeit dagegen weniger ausgeprägt; hier muß – speziell in engen Kurven – vorsichtig Gas gegeben werden.

Ein echtes Fahrer-Auto also unter dem Strich und gewiß keines, in dem vorne der Chauffeur sitz und hinten der Chef Akten aufarbeitet. Auch vom Komforteindruck her erscheint diese Vorstellung weniger realistisch. Zwar ist das Schluckvermögen der Federung so, daß die Passagiere von Härten verschont bleiben, doch bleibt anderseits ein klarer Abstand zu den komfortabelsten Autos dieser Klasse.

Zumal kleine Bodenunebenheiten werden nicht gut verarbeitet – Kanaldekkel nimmt der Siebener unstandesgemäß polternd. Insgesamt ist der Komforteindruck, zusammen mit den sehr leise laufenden Motoren, jedoch gut.

Bleibt noch etwas zu den Preisen zu sagen und zu dem Gegenwert, den man jeweils dafür bekommt. Hier machte die Begegnung mit allen drei Siebenern schnell klar, daß der Billigste, der 728, mit einem Preis von knapp unter 30.000 Mark (DM 29.300) ein besonders reelles Angebot darstellt. Er ist gut ausgestattet und liegt stolze 9300 Mark unter dem Spitzenmodell 733i (DM 38.600). Dazwischen rangiert der 730 mit Dreiliter-Motor zum Preis von 33.600 Mark und einer – von der Sache her – geringen Daseinsberechtigung. Denn er bietet im wesentlichen nur einen höheren Preis als das Grundmodell BMW 728. Insgesamt darf man den Münchern zu ihren neuen Großen ruhig gratulieren. Sie zählen zweifellos zu den besten Autos der Welt und stellen, laut BMW-Werbetext, ‘eine automobile Alternative dar, die es vielen, die trotz sportlicher Grundeinstellung noch nicht BMW-Fahrer sind, schwermachen wird, es nicht zu werden’. Auch da ist etwas dran.

AUF EINEN BLICK
Viertürige Stufenheck-Limousine mit sehr guter Übersichtlichkeit, gutem Raumangebot für vier Personen und guter Verarbeitungsqualität. Ausreichend bequeme Sitze mit großem Verstellbereich, wirksame Heizung und Lüftung. Sehr übersichtliche Instrumentierung, griffgünstige Anordnung der Schalter und Hebel. Recht guter Federungskomfort, geringer Innengeräuschpegel. Sichere Fahreigenschaften mit Übersteuerneigung im Kurvengrenzbereich, sehr gute Handlichkeit. Gute Fahrleistungen, gut dosierbare und standfeste Bremsen. Angemessener Kraftstoffverbrauch.



MEßWERTE

 

BMW 728

BMW 730

BMW 733i

Beschleunigung (auf effektive Geschwindigkeiten, vollgetankt, 2 Personen) in s

0 –   60 km/h

4.4

4.5

4.3

0 –   80 km/h

6.8

6.7

6.2

0 – 100 km/h

9.7

9.5

8.7

0 – 120 km/h

13.8

13.9

12.3

0 – 140 km/h

18.9

18.9

16.8

0 – 160 km/h

27.8

26.1

24.1

0 – 180 km/h

42.8

42.9

34.5

0 –  400 m

16.9

16.8

16.3

0 – 1000 m

31.1

30.9

30.0

Topsnelheid (km/h)

201.1

202.2

209.3

Elastizität (im IV. Gang) in s

40 – 60 km/h

6.2

6.8

5.8

40 – 80 km/h

11.8

13.0

11.1

40 – 100 km/h

17.7

19.3

16.5

40 – 120 km/h

24.0

25.9

22.0

40 – 140 km/h

31.5

34.8

28.3

40 – 160 km/h

41.1

45.8

35.6

40 – 180 km/h

56.1

-

46.3

1 km ab 40 km/h

36.2

37.3

35.0

Innengeräusch in dB(A)

Leerlauf im Stand

51

48

50

Bei 50 km/h

61

59

60

Bei 80 km/h

66

65

66

Bei 100 km/h

68

67

68

Bei 120 km/h

72

70

71

Bei 130 km/h

73

71

73

Bei 140 km/h

74

73

74

Bei 160 km/h

77

76

77

Bei 180 km/h

79

79

79

Verbrauch (Superbenzin) in Liter/100 km

Autobahn ± 135 km/h

16.0

17.1

15.0

Autobahn ± 115 km/h

13.8

14.8

13.1

Landstraße ± 80 km/h

17.8

18.8

17.5

Stadt

15.0

15.8

14.4

Testverbrauch

17.1

18.1

16.3



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